Die letzten Idyllen


Mit einer Trockensuppe im Schrank
und Liebesgold am Finger,
den längsten Pralinen im trägen Darm
und mit den perfekten Slipeinlagen,
sauber trocken und glücklich sein

 Mit einem Schuß Spülmittel
und einem Berg krachweißer Wäsche
Orgasmen produzieren
wie kann das Leben einfach sein!
- mit der richtigen Automarke
und der Versicherung deines Herzens
und der Hausbank
als deinem besten Freund

 Alles ist passend

 Wo der fröhliche Wettbewerb wütet
und alle frei und glücklich sind
wie die lila Kühe auf ihrer Weide,
wo produziert wird auf Teufel komm raus,
wo Rohstoff und Energie
verjubelt werden,
als hätten wir
noch eine zweite Welt in der Hosentasche:
da finden auch die letzten Idyllen
noch ihr Obdach
durchgestylt
bis zu den Zehennägeln,
geschützt und gesichert
hinter Glaskuppeln,
geronnen zu Abziehbildern:
 
Heile Natur und liebliche Kindheit
makellose Puppenfrauen
und Rasierschaum-Helden;
sie geben ihr Stelldichein
in immer neuen Serienschicksalen
und rühren
den Betrachter zu Tränen
 
Geh nicht raus,
denn hier tobt das Leben
in peinigender Wut
und wird eines Tages
nicht nur Grashalme senden
durch die zugemauerte Welt
wird eines Tages
brüllende Lava schicken
in die Metropolen
der Slipeinlagen,
der Waschpulver
und der Versicherungen

Das wird ganz unpassend sein

Schwarzer Regen wird fallen
und die Glaskuppeln verkleben
wie Pech

Da werden die Fernsehfamilien
verkommen und
Frühlingsmargarine löffeln
bis zum Erbrechen
und das Gutdrauf-Grinsen
wird in den Mundwinkeln
zersplittern.

Das wird ganz unpassend sein,
doch vielleicht auch
heilsam.

 

Sigrid Engelbrechtm, 1993